Limonov: The Ballad
Kirill Serebrennikov, Frankreich, Italien, Spanien, 2024o
Ein revolutionärer Kämpfer, ein Schläger, ein Untergrundschriftsteller, ein Butler eines Millionärs in Manhattan. Aber auch ein Messer schwingender Dichter, ein Liebhaber schöner Frauen, ein Kriegstreiber, ein politischer Agitator und ein Romancier, der über seine Grösse schrieb. Die Lebensgeschichte von Eduard Limonow ist eine Reise durch Russland, Amerika und Europa in der zweiten Hälfte des 20.
Der chaotische Lebensweg von Eduard Limonow (1943-2020), einem sowjetischen Oppositionellen, der im Exil zum verfemten Schriftsteller wurde und nach seiner Rückkehr zum nationalistischen Führer, war zweifellos einen Film wert. Ist es der richtige Film? Der 2011 erschienene Roman, in dem sich Emmanuel Carrère von dieser Figur inspirieren liess, wurde mit Mühe und Not dazu, nachdem der ursprünglich vorgesehene Regisseur verzichtete, die Moskauer Studios nach dem Einmarsch in die Ukraine verlassen wurden und der nachgerutschte Regisseur, Kirill Serebrennikov (Leto, Petrovs Fieber) nach Berlin ins Exil ging. Der Film ist ein grosses Spektakel, das daran erinnert, dass Biopics keineswegs akademisch ausfallen müssen. Er ist grossartig verworren, verblüffend durch seinen Stil, aber auch frustrierend für diejenigen, die nach einem Sinn suchen. In einer bewusst theatralischen Inszenierung erzählt der Regisseur abwechselnd von dem jungen Rowdy, dem nihilistischen Dichter, dem gesetzlosen Exilanten in New York und Paris und schließlich vom rechten Provokateur. Die Entscheidung, alles auf Englisch zu drehen, ist zunächst irritierend, aber Ben Whishaws Kamikaze- und Verwandlungskunst hält das Interesse aufrecht. Selbst wenn man verwirrt ist, fragt man sich, wie das alles enden soll und was der Filmemacher daraus machen wird. Schließlich scheint sich Serebrennikov die Mythomanie des unverstandenen, selbsternannten Genies zu eigen gemacht zu haben, der fest entschlossen ist, sein Leben in einen Roman zu verwandeln. Es ist somit ein Film, in dem fast alles, was wir sehen, fraglich ist, glorreich neu erfunden, um einer allzu unerträglichen Realität zu entgehen, auch wenn er sich damit begnügt, eine grosse Sinnleere auszufüllen.
Norbert Creutz